Welche Baumschutzsatzung gilt in Leipzig?

Die Baumschutzsatzung in Leipzig: Schutzschild für städtisches Grün
Leipzigs Baumbestand ist nicht nur prägend für das Stadtbild, sondern übernimmt lebenswichtige Funktionen – von der Luftreinigung bis zum Hitzeschutz.
Seit 1993 regelt die Baumschutzsatzung den Umgang mit Bäumen, Sträuchern und Hecken im Stadtgebiet.
Doch was genau steht drin? Wer muss sich daran halten? Und warum sorgte ein sächsisches Landesgesetz jahrelang für Zündstoff?
Diesen Fragen gehen wir auf den Grund – mit aktuellen Infos, rechtlichen Details und überraschenden Fakten.
Warum Leipzig Bäume braucht wie Luft zum Atmen
Bäume sind in der Messestadt keine Dekoration, sondern systemrelevante Infrastruktur.
Die Satzung nennt konkret:
Klimaregulierung durch Erhöhung der Luftfeuchtigkeit und Reduktion von Hitzeinseln
Filterwirkung gegen Feinstaub und Schadstoffe via Blattoberflächen
Lärmschutz durch dichte Baumkronen entlang stark befahrener Straßen
Biodiversität als Lebensraum für über 60 Vogelarten und unzählige Insekten
"Der Baumbestand dient der Lebensqualität seiner Einwohner und muss vor Gefährdung bewahrt werden", formuliert §1 der Satzung unmissverständlich.
Ein Anspruch, der angesichts von Urbanisierung und Klimawandel immer dringlicher wird.
Diese Bäume stehen unter Schutz – die Kriterien im Check
Die Regelungen gelten für private wie öffentliche Flächen gleichermaßen.
Geschützt sind:
1. Bäume mit Stammumfang ab 30 cm
Gemessen in 1,30 m Höhe (sog. Brusthöhendurchmesser) – das entspricht etwa einem Alter von 15-20 Jahren bei Laubbäumen2. Ausnahme: Obstbäume erst ab 100 cm Stammumfang.
2. Großsträucher über 4 Meter
Dazu zählen Arten wie Holunder, Liguster oder Hartriegel. Kletterpflanzen wie Efeu oder Wilder Wein ab 3 Metern Höhe.
3. Hecken ab 1 Meter Höhe
Ob Thuja, Hainbuche oder Bambus – dichte Gehölzreihen sind geschützt.
4. Sonderstatus für Stadtbäume
Alle Straßenbäume, Parkgehölze und Ersatzpflanzungen stehen unter Schutz – egal wie dick der Stamm ist2. Ein Alleebaum darf also nie ohne Genehmigung gefällt werden.
Verbotene Handlungen: Vom Kettensägen-Einsatz bis zum Salzstreuen
Die Satzung listet klar auf, was tabu ist:
Fällen oder Beschädigen geschützter Gehölze
Wurzelbereich beeinträchtigen durch Bodenverdichtung, Aufschüttungen oder Lagerung von Baumaterial
Chemische Attacken wie Herbizideinsatz oder Salzeinwirkung
Mechanische Schäden durch Befestigung von Plakaten, Nägeln oder Seilen
Selbst das Anzünden von Laub unter Bäumen ist untersagt – eine oft übersehene Regelung.
Ausnahmen bestätigen die Regel: Wann Fällen erlaubt ist
Notfälle wie Sturmschäden oder akute Verkehrsgefährdung erlauben Sofortmaßnahmen – allerdings muss das Amt für Stadtgrün und Gewässer innerhalb von 3 Werktagen informiert werden.
Für geplante Fällungen gilt:
Antrag stellen beim Amt für Stadtgrün (privates Grundstück) oder Bauordnung (Bauvorhaben)
Ersatzpflanzungen nach festem Schlüssel:
1 Baum pro gefälltem Exemplar unter 80 cm Umfang
Bis zu 5 Neupflanzungen bei Großbäumen über 150 cm
Ausgleichszahlung möglich, wenn Pflanzung vor Ort nicht machbar
Interessant: 2015 wurden 1.404 Fällgenehmigungen erteilt – aber 3.934 Ersatzpflanzungen angeordnet.
Die Stadt geht also über 1:1-Kompensation hinaus.
Der lange Arm des Landesrechts: Sachsens "Baum-ab-Gesetz"
2013 sorgte eine Novelle des Sächsischen Naturschutzgesetzes für Aufruhr.
Kommunen durften plötzlich keine strengeren Regeln mehr als das Land vorschreiben.
Folge in Leipzig:
Privatgrundstücke durften leichter gerodet werden
Genehmigungsfiktion: Anträge galten nach 3 Wochen automatisch als genehmigt
Geschätzte 4.000 Bäume gingen zwischen 2013-2021 auf Privatflächen verloren
Erst 2021 korrigierte der Landtag diese Regelung. Seither können Städte wieder eigene Schutzsatzungen aufstellen – Leipzigs Version trat 2022 in überarbeiteter Form in Kraft.
Aktuelle Debatten: Vom Pflanznotstand bis zum Klimabaum
Trotz der Satzung gibt es Herausforderungen:
Nachpflanzlücken: 2017 zeigte eine Anfrage, dass 23% der Ersatzbäume nicht fristgerecht gepflanzt wurden
Trockenstress: Hitzeperioden setzen Jungbäumen zu – Bewässerung wird zum Kostenfaktor
Artenspektrum: Stadt setzt zunehmend auf klimaresistente Arten wie Feldahorn oder Zerreiche
Ein Lichtblick: Seit 2022 gibt es den "Klimabonus" – wer auf seinem Grundstück Bäume pflanzt, erhält bis zu 500 € Förderung.
Fazit: Schutz mit Zukunft
Leipzigs Baumschutzsatzung ist kein starres Regelwerk, sondern entwickelt sich weiter.
Mit der jüngsten Novellierung und Initiativen wie der "Grünstrategie 2030" positioniert sich die Stadt als Vorreiter im urbanen Naturschutz.
Doch der Erfolg hängt davon ab, wie konsequent Schutzvorgaben umgesetzt und kontrolliert werden – gerade in Zeiten explodierender Grundstückspreise und Bauboom-Druck.
Eins bleibt klar: Wer in Leipzig einen Baum fällen will, kommt am Amt für Stadtgrün nicht vorbei.
Und das ist auch gut so – schließlich atmet die Stadt buchstäblich durch ihre grünen Lungen.
